Der aktuelle Bericht der Europäischen Seuchenbehörde ECDC alarmiert: In jedem Jahr sterben in Europa mindestens 33.000 Menschen an multiresistenten Krankenhauskeimen. Besonders betroffen sind Kinder und ältere Menschen. Erschreckend dabei ist, dass die Zahl der Toten durch resistente Keime seit 2007 kontinuierlich steigt.

33.000 Tote im Jahr durch multiresistente Krankenhauskeime. Um deutlich zu machen, wie erschreckend diese Zahl ist, verweist die Europäische Seuchenbehörde auf andere gefährliche Infektionskrankheiten wie Grippe, Tuberkulose oder HIV. Diese brächten es auf eine ähnlich große Todeszahl. Allerdings zusammen! Das heißt: Multiresistente Krankenhauskeime (zum Teil auch als MRSA-Keime bekannt) sind mittlerweile eine größere Gefahr als eine Grippe oder HIV.

Für Dr. Martin Rummeny, er ist einer der Gründer der MANUS Klinik in Krefeld, hat der aktuelle Bericht der Europäischen eine ganz neue Qualität, denn erstmals liegt eine Studie mit tatsächlich belastbaren Fallzahlen vor. „Wir reden hier von keiner Schätzung oder Hochrechnung, sondern von Todesfällen, die tatsächlich auf MRSA-KKeime zurückzuführen sind“, erklärt der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie. Seit Jahren beschäftigen die multiresistenten Krankenhauskeime Ärzte wie Patienten, denn das Problem wird immer gravierender. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Europäische Seuchenbehörde. Nicht nur die Fallzahlen der Infektionen und die Todesfälle steigen Jahr für Jahr, es entwickeln auch immer mehr Bakterien wie beispielsweise das weit verbreitete Bakterium Staphylococcus aureus die gefährlichen Antibiotika-Resistenzen.

Dass vor diesem Hintergrund der Kampf gegen die multiresistenten Keime noch immer halbherzig geführt wird, ist für Rummeny ein Skandal. „Wir müssen endlich erkennen, dass wir in den Krankenhäusern ein Problem haben. Es gibt dort einen Keimpool und eine Durchseuchung, die eine Gefahr für Patienten sind.“ Rummeny selbst arbeitet nicht im Krankenhaus. Die MANUS Klinik, in der er operiert, ist eine Praxisklinik, die auf ambulante und kurzstationäre Eingriffe spezialisiert ist. In 15 Jahren hat es dort lediglich einen Fall einer Infektion mit multiresistenten Keimen gegeben. „Die Recherche hat anschließend ergeben, dass sich der Patient bei einem Krankengymnasten angesteckt hatte, der sich womöglich zwischen zwei Behandlungen nicht die Hände desinfiziert hatte“, erklärt Rummeny. Die MRSA-Statistiken aus anderen Praxiskliniken bestätigen das wesentlich geringere Infektionsrisiko gegenüber dem Krankenhaus.

Das zeigt sich auch in den Vorschriften für ein MRSA-Screening, das im Vorfeld einer Operation beim Patienten durchgeführt werden muss, wenn ein Risiko besteht, dass der Patienten die multiresistenten Keime mit sich trägt. „Dieses Screening müssen wir beispielsweise machen, wenn ein Patient chronisch krank ist, in der Landwirtschaft arbeitet oder aber wenn er drei Monate zuvor in einem Krankenhaus gewesen ist“, erklärt Rummeny. „Krankenhäuser sind als MRSA-Risiko erkannt.“ 

Bereits seit einigen Jahren wirbt Rummeny gemeinsam mit anderen Betreibern von Praxiskliniken daher dafür, das Operieren in Deutschland zu revolutionieren und für Patienten sicherer zu machen. Denn noch immer gibt es im deutschen Gesundheitssystem eine strikte Trennung zwischen dem ambulanten und dem stationären OP-Sektor. Außerdem werden für Krankenhäuser vollkommen falsche finanzielle Anreize gesetzt, um Patienten möglichst lange auf der Station zu halten. „Und sie dort natürlich auch einem größeren Infektionsrisiko auszusetzen“, so Rummeny.

Dabei ermöglich es der medizinische Fortschritt längst, immer mehr Eingriffe ambulant oder mit einem sehr kurzen Klinikaufenthalt durchzuführen. „Die Patienten in unserer Praxisklinik sind maximal zwei Tage bei uns“, so Rummeny. Doch statt das ambulante und kurzstationäre Operieren in Praxiskliniken zu fördern, versucht die Krankenhauslobby, die drohende Konkurrenz möglichst kleinzuhalten.

Ganz besonders ärgert Rummeny dabei der Vorwurf, dass sich die privat geführten Praxiskliniken ihre Patienten aussuchen und nur die leichten Fälle herauspicken. „Wir behandeln jeden Patienten gleich, sowohl privat als auch gesetzlich Versicherte. Und wenn es um den Einsatz einer Knieprothese oder um eine Arthroskopie geht, dann gibt es keine leichten und schweren Fälle.“ Sondern lediglich Hygienestandards, die funktionieren oder eben nicht. Dass Praxiskliniken wie die MANUS Klinik im Gegensatz zum Krankenhaus kein MRSA-Problem haben, sieht Rummeny auch darin begründet, dass die Einhaltung und Kontrolle der Hygienestandards in einem kleineren Haus einfach besser funktionieren. „Bei uns wird kein Pflaster ohne Handschuhe geklebt. Zweimal im Jahr machen wir mit allen Mitarbeitern eine Hygieneschulung. Hinzu kommt einmal im Jahr ein externer Hygienekurs, um alle Mitarbeiter der Klinik für das Thema zu sensibilisieren“, so Rummeny. Das Ergebnis ist eine sehr hohe Sicherheit für die Patienten.

Ginge es nach Rummeny und seinen Mitstreitern, würden sich Krankenhäuser daher in Zukunft vollkommen auf die stationäre Notfallmedizin und die Behandlungen konzentrieren, die der intensivmedizinischen Ausstattung der Krankenhäuser wirklich bedürfen, während kleine, flexible Praxiskliniken die ambulanten und kurzstationären OPs übernehmen. Auch die Umwandlung von Krankenhäusern in Praxiskliniken ist für Rummeny denkbar. „Wir müssen endlich aufhören, die ambulanten und stationären Sektoren starr voneinander getrennt zu denken und in Zukunft mehr auf ein flexibles, sektorübergreifendes System setzen.“, so Rummeny. Zumal ein solches System nicht nur den Patienten mehr Sicherheit bringt, sondern das Gesundheitssystem insgesamt jährlich um Milliardenbeträge entlasten könnte.

Was geschehen könnte, wenn das Problem nicht endlich in Angriff genommen wird, skizzierte unlängst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie geht in einem im November 2018 vorgestellten Bericht davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 in Europa, Nordamerika und Australien bis zu 2,4 Millionen Todesfälle durch antibiotikaresistente Keime geben könnte, wenn nicht sofort umfassende und konsequente Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet werden.