Pflegenotstand? Gefährliche Krankenhauskeime? Kostenexplosion im Gesundheitswesen? Klinik-Kollaps? Für Dr. med. Thomas Buchmann gibt es für all diese Probleme schon längst eine Lösung: die Praxisklinik als Alternative zum Plankrankenhaus
Dr. med. Thomas Buchmann hat eine Vision für das deutsche Gesundheitswesen. Ginge es nach ihm, kämen Patienten für eine Operation in eine Klinik, in der sie sich wohl fühlen und sogar den Arzt bereits kennen, der sie operieren wird. Es ist derselbe Arzt, der zuvor die Diagnose stellte und nach der Operation die Nachsorge übernehmen wird. Probleme mit gefährlichen Keimen gibt es in dieser Klinik nicht. Die Sterilisation erfolgt im Haus. Außerdem ist das Personal perfekt geschult, um alle nötigen Hygienestandards einzuhalten. In dieser Klinik, die sich Buchmann vorstellt, hat das Pflegepersonal noch Zeit für einen Plausch mit den Patienten. Beim Essen kann der Patient zwischen mehreren Menüs wählen, egal, ob er nun privat oder gesetzlich versichert ist. Es gibt freies WLAN, und auf dem Fernseher im komfortablen Patientenzimmer läuft Pay-TV. Für diesen Komfort müssen übrigens weder die Gemeinde noch die Stadt geradestehen. Die Klinik ist privat finanziert und bestreitet ihren Unterhalt selbst.
Weil Thomas Buchmann weiß, dass vieles an seiner Vision zu schön klingt, um wahr zu sein, hat er diese Klinik zusammen mit seinem Kollegen Uwe Rösing kurzerhand geplant und zusammen mit einem Investor gebaut: das OP-Zentrum Vest in Oer-Erkenschwick. „Selbst Privatpatienten sind oft verwundert, welchen Komfort wir bieten können“, erklärt Thomas Buchmann. In der Stimme des 53-Jährigen klingen Stolz und Zufriedenheit über das Patientenlob mit. Das OP-Zentrum Vest, das über 2 OP-Säle sowie 18 Betten verfügt, ist eine sogenannte Praxisklinik, in der niedergelassene Fachärzte ihre Patienten vorwiegend ambulant oder kurzstationär operieren können. Die beiden Anästhesisten Buchmann und Rösing, die zuvor schon erfolgreiche Einzelpraxen betrieben hatten, haben sich ganz bewusst für diese Klinikform entschieden. Buchmann und Rösing engagieren sich schon seit Jahren gesundheitspolitisch und verfolgen die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen genau. Und die beiden sind sich sicher, dass der Praxisklinik die Zukunft gehört. Aber warum? Was macht eine Praxisklinik so besonders?
Um diese Frage zu beantworten, muss man ein paar Jahre zurückgehen und schauen, wie sich das ambulante Operieren in dieser Zeit entwickelt hat. Buchmann und Rösing haben es selbst erlebt. Zuvor waren die beiden als mobile Anästhesisten tätig. „Mit der Zeit haben sich die gesetzlichen Vorgaben für das ambulante Operieren immer weiter erhöht. Das geht los bei bestimmten bauliche Auflagen, Anforderungen an die Dokumentation und hört auf bei der Umsetzung der Hygienevorschriften. Für eine Einzelpraxis ist dieser mittlerweile sehr hohe Standard nur noch mit Mühe umzusetzen“, erklärt Buchmann. Die Lösung: Eine Praxisklinik, in der niedergelassene Ärzte alles vorfinden, um ihre Patienten stationsersetzend zu therapieren.
Doch warum sollten Patienten überhaupt ambulant und kurzstationär operiert werden? „Mittlerweile sind wir bei den OP-Techniken soweit, dass immer mehr Operationen ambulant durchgeführt werden können“, weiß Buchmann. „Für den Patienten entstehen daraus keine Nachteile. Im Gegenteil: Gegenüber dem klassischen Vollkrankenhaus können wir bei gleicher medizinischer Leistung in der Regel sogar mehr Komfort bieten, da wir kleiner sind und eine ganz andere Prozessqualität haben.“ Derzeit werden 75 bis 80 Prozent der Patienten im OP-Zentrum Vest ambulant operiert. Das heißt, dass die Patienten am Tag der OP aufgenommen werden und nach der OP gleich wieder nach Hause gehen können. Doch selbst bei größeren kurzstationären Operationen mit Übernachtung ist die Verweildauer in Praxiskliniken wie dem OP-Zentrum Vest oft niedriger als im Krankenhaus. „Auch hier kommt uns unsere Prozessqualität zu gute. Bei uns kümmert sich beispielsweise eine Pflegekraft um vier Patienten. Das ermöglicht uns eine viel gezieltere Reha und Schmerztherapie,“ erklärt Buchmann.
Für Thomas Buchmann bringt das Konstrukt der Praxisklinik für alle Seiten nur Vorteile mit sich: „Der Patient genießt mehr Komfort und hat Vertrauen in seinen Arzt. Zudem garantieren wir verlässliche OP-Termine. Der Arzt dagegen kennt und betreut den gesamten Fall und muss sich neben der Operation um nichts mehr kümmern. In den OP-Sälen steht dem Arzt modernste OP-Technik zur Verfügung. Das Pflegepersonal kann vernünftig mit den Patienten arbeiten. Die Hygiene ist, auch aufgrund der kleineren Struktur, vorbildlich. Und durch die geringere Verweildauer und schnellere Heilung kehren die Patienten auch schneller in die Arbeit zurück, wovon wiederum auch die Krankenkassen profitieren.“
Praxiskliniken seien das ideale Bindeglied zwischen dem ambulanten und dem stationären Gesundheitssektor. Und genau an dieser Stelle wird Buchmann grundsätzlich, denn noch immer wird die Behandlung in Praxiskliniken nicht von allen Krankenkassen bewilligt. Schuld ist eine fehlende Rahmenvereinbarung zwischen Praxiskliniken und Krankenkassen, die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen seit Jahren blockiert. Das sich die Praxiskliniken nicht schon längst in größerer Zahl am Gesundheitsmarkt etabliert haben, liegt aber auch an der heftigen Gegenwehr der Krankenhauslobby. Diese versucht mit aller Macht, die Pfründe zu sichern, die durch den unnötigen Fokus auf stationäre Operationen entstehen. In keiner anderen europäischen Industrienation wird noch so häufig stationär operiert, wie in Deutschland. Dabei wäre es überhaupt kein Problem, ein sinnvolles Miteinander von Praxiskliniken und Krankenhäusern zu organisieren.
„Praxiskliniken sind DIE Lösung, um endlich Schluss zu machen mit der Dauerkrise in deutschen Krankenhäusern. Natürlich brauchen wir die großen Universitätskliniken, in denen die schweren Fälle behandelt werden und in denen geforscht und gelehrt wird. Aber wir haben viel zu viele Vollkrankenhäuser, die wir in dieser Form gar nicht benötigen und die sich aufgrund ihrer Größe auch gar nicht rechnen können“, erklärt Buchmann. Genau diese Problemfälle ließen sich durch flexible Praxiskliniken ersetzen, ohne, dass die medizinische Versorgung darunter leiden würde. Seine Vision: „Krankenhäuser könnten sich in Zukunft ganz auf die Intensiv- und Notfallmedizin konzentrieren, während die kleinen flexiblen Praxiskliniken sich um die ambulanten und kurzstationären Eingriffe kümmern.“ Bei dem prognostizierten und bereits vorherrschenden Bedarf an Pflegepersonal würde selbstverständlich auch niemand in die Arbeitslosigkeit geraten. Die vorhandenen Kräfte würden sich schlicht besser verteilen. Ein solches System könnte auch flexibler und ohne große Kosten an den tatsächlichen Betten- und OP-Bedarf angepasst werden.
Dass ein solches System funktionieren kann, zeigen Buchmann und Rösing sowie zahlreiche andere Praxiskliniken ja schon heute. Buchmanns Forderung an die Gesundheitspolitik lautet daher: „Krankenhäuser zurückbauen und Praxiskliniken fördern.“ So wie es eigentlich schon seit Jahren im Gesetz steht. Gelänge dies, kämen schon bald alle Patienten in Deutschland in den Genuss einer komfortablen Behandlung, wie sie in Praxiskliniken wie dem OP-Zentrum Vest längst Standard ist.