Wer wissen will, woran es im deutschen Gesundheitswesen wirklich krankt, muss nach Solingen in die Praxisklinik im Südpark fahren und dort mit Achim Bertram und Martin Zebulka-Rinke reden. Die beiden Anästhesisten und Betreiber der Klinik gehören zu den Pionieren des ambulanten Operierens in Deutschland und haben in mehr als 20 Berufsjahren einen ebenso effizienten wie komfortablen OP-Standard entwickelt, der Patienten immer wieder staunen lässt und so manchem wie ein Märchen vorkommt. In der Regel können die Patienten der Praxisklinik im Südpark die Nacht vor und nach der OP zu Hause verbringen. Die Betreuung vor Ort erfolgt durch den persönlichen Facharzt und durch motiviertes Pflegepersonal, das sich hier noch wirklich Zeit für die Patienten nehmen kann. Auch die Verpflegung und die Ausstattung in den Patientenzimmern sind überdurchschnittlich. Fast könnte man von einem Paradies sprechen, wenn da nicht die medizinische Notwendigkeit wäre, die die Menschen in die Praxisklinik im Südpark führt.
In Zeiten, in denen man beinahe wöchentlich über die katastrophalen Zustände an deutschen Krankenhäusern lesen muss, fragt man sich jedoch unweigerlich, welchen Haken die Sache hat. Das Problem: Es gibt keinen. Tagtäglich wird in der Praxisklinik im Südpark der Beweis erbracht, dass ein hoher moderner medizinischer Standard, Komfort und eine menschliche Betreuung sich erstens nicht ausschließen und zweitens bezahlbar sind. „Neunzig Prozent unserer Patienten sind gesetzlich versichert.“, erklärt Achim Bertram. Warum aber gibt es dann Praxiskliniken wie seine nicht längst überall in Deutschland? Warum ist die Qualität, die seine Klinik liefert, nicht überall Standard? Genau diese Fragen treiben auch Achim Bertram und Martin Zebulka-Rinke seit Jahren um, denn die Antwort darauf ist einer der größten Skandale im deutschen Gesundheitswesen: Seit Jahren toleriert die Politik wissentlich, dass von ihr beschlossene Gesetze zur Förderung von Praxiskliniken einfach ignoriert werden. Dass es ihre Einrichtung überhaupt noch gibt, haben die beiden Ärzte aus Solingen daher vor allem ihrer Leidenschaft für den Beruf und ihrem Durchhaltevermögen zu verdanken.
Dabei haben die beiden eigentlich alles richtig gemacht. Anfang der neunziger Jahre erkannte die Politik, dass es dringend notwendig sei, die Ausgabenflut im Gesundheitswesen einzudämmen und – wie in anderen Ländern bereits üblich – das Belegarztwesen und den ambulanten OP-Sektor in Deutschland endlich zu stärken. Denn während in anderen Ländern zahlreiche Operationen bereits vorwiegend ambulant erfolgten, wurden die Patienten in Deutschland in den Krankenhäusern immer noch lieber auf Station gelegt. Um das in der Zukunft zu vermeiden, beschloss die Politik die Förderung von Praxisklinken. „Diesem Ruf sind wir damals gefolgt und haben eine eigene Praxisklinik eröffnet. Damals noch in Räumen, die gar nicht so richtig an unsere Bedürfnisse angepasst waren.“ Doch schon bald stellte sich heraus, dass auf die Versprechen der Politik nicht viel zu geben war. Zu mächtig war die Gegenwehr der Krankenhauslobby, die die ambulante Konkurrenz bis heute fürchtet. Das Resultat der Lobbyarbeit: Noch immer gibt es keine eigene Gebührenordnung für Praxiskliniken, obwohl die Politik die Krankenkassen per Gesetz dazu verpflichtet hat.
Während zahlreiche Praxiskliniken gleich wieder schließen mussten, kaum dass sie aufgemacht hatten, behalfen sich Achim Bertram und Martin Zebulka-Rinke mit Spezialverträgen, die sie selbst mit den Kostenträgern abgeschossen. Doch der Weg dahin war mühsam. „In der Vergangenheit haben wir auch oft operiert, obwohl unsere Kosten nicht gedeckt waren. Wir wollten einfach unsere Arbeit gut machen.“ Das Vertrauen, dass sie sich auf diese Weise bei Patienten und der Ärzteschaft erarbeiteten, setzte schließlich auch die Krankenkassen unter Druck. „Und nachdem eine Krankenkasse hier vor Ort unsere Leistungen bezahlt hat, taten sich die anderen schwer, ihren Versicherten zu erklären, warum ausgerechnet sie nicht zu uns kommen dürfen.“
Das Modell funktioniert so gut, dass Bertram und Zebulka-Rinke 2012 die Praxisklinik im Südpark eröffneten. Komplett selbst finanziert und geplant. In ihren alten Räumlichkeiten waren sie immer mehr an logistische Grenzen gestoßen, um ihre Arbeit so anzubieten, wie sie sich das vorstellten. „Sie können die Atmosphäre einer Klink zum Beispiel entscheidend über die Patientenströme steuern.“ In den vier Operationssälen der Klinik finden nun jeden Tag pro Saal 10 bis 20 Eingriffe statt. Insgesamt 8000 im Jahr. Doch davon kriegen die meisten Patienten gar nichts mit. Im Gegenteil: „Das positive Feedback, dass wir immer wieder von den Patienten bekommen, verschafft uns eine große Befriedigung. Das motiviert uns.“ Genau diese Motivation hatte den beiden in der Zeit, in der sie in noch einem normalen Krankenhaus tätig waren, immer gefehlt. „Ich kenne kaum jemanden, der gern in einem Krankenhaus arbeitet. Dort arbeiten die meisten Abteilungen für sich. Die Anästhesisten, die Operateur oder die OP-Pflege arbeiten alle separat. Das führt dann dazu, dass die Patienten anonym ins Krankenhaus reinkommen und auch wieder rausgehen. Warum muss das so sein? Wenn jemand operiert werden muss, ist das belastend für ihn. Warum gestaltet man den Prozess rund um die OP für ihn nicht so angenehm wie möglich?“ Zum Beispiel so wie in der Praxisklinik im Südpark. „Im Krankenhaus hat ein Arzt ja kaum Einfluss. Er kann weder über die Atmosphäre entscheiden, noch über die Arbeitsbedingungen für die Pfleger. Bei uns in der Klinik können wir das und haben uns ein Team aufgebaut, in dem jeder weiß, was er zu tun hat, in dem aber auch jeder sicher ist, dass er fair behandelt wird.“, erklärt Achim Bertram und Martin Zebulka-Rinke fügt an: „Was wir machen, ist kein Geheimnis. Jeder kann gerne zu uns kommen und sich anschauen, wie wir operieren und unsere Patienten betreuen. Wir zeigen die Pläne gerne her.“
Doch daran besteht offensichtlich kein Interesse. Stattdessen wird den gesetzlich versicherten Patienten andernorts der Zugang zu ambulanten Kliniken wie der Praxisklinik im Südpark immer noch so schwer wie möglich gemacht. „Die Krankenkassen berufen sich dann gern auf das fehlende Vertragsverhältnis mit den Praxiskliniken.“ Dabei hätten sie genau diese Gebührenordnung schon vor Jahren erarbeiten müssen. So steht es im Gesetz. „Das ist für mich die wahre 2-Klassen-Medizin.“, sagt Achim Bertram. Weil die Krankenhauslobby ihre Machtposition gegenüber der Politik und in den Kassenärztlichen Vereinigungen ausspielt, müssen die Patienten leiden. Es sei denn, sie haben das Glück, in der Nähe einer Klinik wie der Praxisklinik im Südpark zu wohnen.